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Als A.T. Still (1828-1917) erstmals die Philosophie der Osteopathie in seinen vier Büchern beschrieb, wollte er damit vor allem seine Zeitgenossen aus dem Grenzland der Vereinigten Staaten erreichen. Entsprechend verwendete er die Sprache der einfachen Menschen des Landes. Da er seine Ideen nicht anatomisch-physiologisch ausformulierte, hatten sie keinen Einfluss auf die universitäre Medizin und damit auch nicht ins Gesundheitssystem Amerikas jener Zeit. Erst als J.M. Littlejohn (1866–1947) Stills Ansatz in die Wissenschaftssprache seiner Zeit übertragen hatte, war es der Osteopathie auch möglich auf akademischer Ebene Einfluss zu gewinnen. Littlejohn bezeichnete die Osteopathie dabei gut begründet als biologische Wissenschaft, die im therapeutischen Kontext umgesetzt wird.
Diesen Faden nimmt Louisa Burns (1868–1958) auf und erarbeitet ihn konsequent anhand histologischer und neurophysiologischer Forschungsarbeiten aus. Anders als bei Littlejohn, finden sich in ihren Schriften auch deutliche Hinweise darauf, welche innere Haltung Osteopathen haben müssen, um ihre Kunst am Patienten vernünftig anwenden zu können. Wie Still ermahnt auch Burns die Osteopathen zur rational fundierten Humanität und warnt sie vor unreflektierter Beliebigkeit. Osteopathiehistorisch gesehen verschmelzt Burns damit die Stärken von Still und Littlejohn und ist damit Leitfigur der Osteopathie des 20. Jahrhunderts und sogar darüber hinaus. Dass sie nicht als solche erkannt wurde (und wird), liegt an der Tatsache, dass sie in einer männerdominierten Osteopathie-Welt als Frau schlichtweg ignoriert wurde (und wird); ein Schicksal, dass sie auch mit Charlotte Weaver teilt.
Grundlegende Prinzipien der Osteopathie (Original: Basic Principles) ist das Meisterwerk von Burns. Dieses bereits 1907 verfasste Lehrbuch für Osteopathie-Studenten ist brillant aufgebaut, hervorragend durchdacht und in einer populärwissenschaftlichen Sprache geschrieben, die den Vergleich mit großen Texten aus unserem Jahrhundert nicht zu scheuen braucht.
Beginnend mit allgemeinen Überlegungen zur Biologie und Histologie, aber auch zum Leben und dem Menschen ganz allgemein, leitet das Buch langsam zu neurophysiologischen Themen über, um schließlich spezifische Symptome der Körperoberfläche aus osteopathischer Sicht in ihrer klinischen Bedeutung zu beschreiben. Durchgehend gilt: Individualität als Normalität, vernetzte Systeme und Gesundheit als niemals stillstehender Anpassungsprozess an sich ständig ändernde Rahmenbedingungen.
Burns verbindet in Biologische Prinzipien der Osteopathie erstmalig (und bis heute einmalig) Stills ganzheitliche Philosophie der Osteopathie mit Littlejohns Sichtweise auf die Osteopathie als biologische Wissenschaft. Damit ist sie die bedeutendste Wegbereiterin in eine Medizin, die das 21. Jahrhundert prägen wird.
Ein faszinierendes Lehrbuch der ursprünglichen Osteopathie, das weit über die Osteopathie hinaus von Bedeutung ist!
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